Als der Zug in den Bahnhof Kaiserslautern einfährt, schaue ich zur Sicherheit nochmals auf die Anzeigetafel. „Paris Est“ steht da. Ganz zweifelsfrei. Es wird also tatsächlich so sein, dass ich nach einer unvorstellbaren Pause von fast 8 Jahren endlich wieder in die Stadt fahre, von der ich mich unzertrennlich geglaubt hatte und es doch wohl nicht war.
Mit Frankreich, insbesondere Paris verbindet mich eine lange und intensive Geschichte, deren dramaturgischer Höhepunkt bislang das Jahr 1991 war, in dem ich mehrere Monate dort lebte und als Buchhändlerin arbeitete. Fünf Monate, die für ein ganzes Regalbrett voller Geschichten reichen könnten, wenn ich denn jemals autobiografische Ambitionen (gehabt) hätte. Und mir viel Zeit für die Beschreibung der jeweiligen Atmosphäre und die 1000 Details am Rande jeder Begebenheit nehmen würde. Und überhaupt geduldiger und beharrlicher beim Schreiben wäre. Ein Regalbrett voller Konjunktive also.
Mein Zug erreicht pünktlich den Gare de l´Est. Draußen scheint eine warme Oktobersonne und selbst die Tauben auf dem Vorplatz sehen aus, als hätten sie sich für den heutigen Tag besonders fein gemacht. Aus einer alten Gewohnheit heraus kaufe ich ein Carnet Tickets für die Métro, obwohl ich doch weiß, dass ich den ganzen Tag zu Fuß unterwegs sein werde.
Ich habe anfangs bei jedem meiner Schritte auch ein wenig Angst – dass mich zum Beispiel das Wiedersehen enttäuscht, ich also die Orte sehe, die ich so gut kenne, ihnen jedoch jetzt fremd und fern bin, weil ich mich geändert habe, weil sich die Stadt geändert hat. Oder dass sich Paris für meine achtjährige Untreue rächt und aus purer Boshaftigkeit mit seiner Schönheit bei jedem Schritt an diesem einen Tag des Wiedersehens sagt „Schau, was du versäumt hast!“
Die Angst ist unbegründet und legt sich rasch. Es ist einfach nur Paris und es ist wunderschön und glänzt in der Sonne wie eine frisch polierte Antiquität. Notre Dame, die Ufer der Seine, das Marais, der Place des Vosges, Les Halles, L´Odéon, der Parc des Buttes Chaumont.. Und überall Buchhandlungen. Vielleicht übertreibe ich gerade ein wenig, aber es ist die größte Überraschung, wie viele Buchhandlungen es nach wie vor in Paris gibt. Nicht nur die Antiquariate rund um Saint-Germain. Nein, überall erzählen mir die Buchläden so stolz, dass es sie noch gibt – trotz Amazon, trotz Internet, trotz der großen Filialisten.
Es heißt ja, in Frankreich gäbe es mehr Autorinnen und Autoren als Leserinnen und Leser. Ein amüsanter Gedanke. Ob er stimmt? Eher nicht. Aber ganz sicher gibt es in Paris mehr Buchhandlungen als in Berlin und das ist einer von ganz vielen guten Gründen, schon bald wieder nach Paris zu fahren, einfach mal so.
Glücklich kehre ich zu später Stunde zurück nach Kaiserslautern.